Eine Kooperation mit dem Festival International du Theatre, Bejaia, Algerien
»Lasst uns die Toten befragen, bis sie ihre Geheimnisse ausspucken.«
(Heiner Müller)
Lydia aus Berlin und Lydia aus Algerien treffen in einem Transitbereich des Pariser Flughafens aufeinander. Dort herrscht eine kalte Atmosphäre der Angst. Jedes Geräusch wird als plötzliche Bedrohung wahrgenommen. Es ist nicht nur die Angst, Opfer der nächsten Bombe zu sein, es ist auch die Unsicherheit gegenüber der absoluten Willkür der Gewalt. Beide Frauen haben Erfahrungen mit Gewalt, einerseits unter dem totalitären Regime der DDR und andererseits unter dem islamistischen Terror der 90iger Jahre in Algerien.
Die Geschichten der beiden Frauen zeichnen Teile der geschichtlichen Entwicklungen in Europa und Nordafrika nach, die zu der heutigen Atmosphäre beigetragen haben. Triumphe und Massaker geschahen oft zum gleichen Zeitpunkt an den beiden Orten.
Sie kennen sich nicht und haben doch eine parallele Mission: ihre Großväter haben sich im zweiten Weltkrieg in einem französischen Wald getroffen. Dem Algerier war von den Franzosen gesagt worden, dass sein Land die Freiheit bekäme, wenn die Algerier mit ihnen gegen die Deutschen kämpfen. Beide überleben lieber zusammen, und setzen sich dann für eine sozialistische Ordnung in ihren Ländern ein. Als beide starben, haben sie die Enkelin losgeschickt, um auf dem jeweils anderen Grab ein Geschenk niederzulegen.
Es spielen eine deutsch- und französischsprachige Schweizerin und eine arabisch-, französisch- und tamazighsprachige Algerierin die jungen Frauen und ihre Großväter und alle anderen Rollen. Für die beiden singt und spielt eine blinde Musikerin, unter anderem französische Chansons, englischen Pop, deutschen Punk und den tiefen Tamawayat Gesang der Berberfrauen: die Jukebox perforiert zeitweise die kalte Gegenwart. Dazu gibt es elektronische Kompositionen, die die Angst, die Sehnsucht, die Seele der Figuren sezieren.
Rituale spielen dabei eine wichtige Rolle. Die Gewalt ist unweigerlich Teil der Identität der beiden Frauen. Sie suchen in den Ritualen nach der Kraft, sich der kalten, psychologischen Gewalt im Transitbereich von Paris nicht zu ergeben. Dieser Transitbereich ist ein wichtiges Bild: Frankreich ist das verbindende Element zwischen den beiden Ländern im Sinne von Geschichte und Schmerz, und Französisch die verbindende Sprache.
La peur doit changer de camp untersucht und reflektiert kritisch die Perspektiven von Zentraleuropa und Nordafrika aufeinander über die Zeiten bis heute.
Text: Omar Fetmouche & Lydia Ziemke / Mit: Lydia Larini & Lucie Zelger / Regie: Lydia Ziemke / Bühne & Kostüme: Claire Schirck / Musik & Sound: Rahima Khelfaoui & Owen Lasch / Dramaturgische Beratung: Nabil Ziani / Produktionsleitung: Sofiane Boukemouche, Nina Eckhardt, Laura Werres