Rückzug / 603

Produktionen aus Syrien und Palästina im Rahmen von »Lila Risiko Schachmatt«

Premiere am 24. November 2011
Rückzug – von Mohammad Al Attar

Mohammad Al Attar stellt in Damaskus zwei Verliebte gegenüber: die jungen Journalisten streiten, wie man leben und lieben kann in einem System von Korruption und Verstellung. Der große Knall kommt, das ist klar, aber wer fängt an? Zurückgezogen von der Stadt, trifft ihr Drang nach Ruhe auf seinen nach Veränderung. Also bleiben oder gehen? Vielleicht nach Berlin?

»Nour: Hier kannst du in aller Ruhe schreiben. Und nachts ist der Ausblick sehr schön. Du kannst die Lichter von halb Damaskus sehen.

Ahmad: Du hast Recht. Die Stadt ist dann schöner. Nachts versteckt Damaskus seine Macken. Aber der Vermieter hat uns übers Ohr gehauen. Die Schule nebenan hat er wohlweislich verschwiegen. Heute Früh hab ich das entdeckt. Die Schulkinder haben immer wieder eine Parole wiederholt und die Rektorin hat sie angeschrien. Ich bin mir sicher, dass sie nichts von dem, was sie da aufsagen mussten, verstanden haben.

Nour: Ich liebe dich.«

 

Pressestimmen: 

»Ein subtiler Text über eine bleiern stillstehende Zeit (in Damaskus).«
(von Doris Meierhenrich, Berliner Zeitung, 11/2011)

»Autor Mohammed Al Attar portraitiert eine gebildete junge Mittelschicht, die sich Fluchten schafft, statt auf die Straße zu gehen. Ein Phlegma, das aus der Perspektive der Gegenwart nahezu provozierend wirkt. […] Eine intime, intensiv gespielte Inszenierung im öffentlichen Raum einer Neuköllner Orientbar – das geht gut auf.« (von Patrick Wildermann, Tagesspiegel, 11/2011)

603 – von Imad Farajin

603 verhandelt die zentralen Fragen der Palästinenser im Gefängnis von Ashkelon in Israel, in Zelle 603, wo die Vorstellungskraft freien Lauf hat, bis die Mauern beginnen, sich zu verschieben. Vier Männer sehen sich von der Zeitgeschichte aufgerieben und fliehen, jeder auf seine Weise, in die Phantasie. Heute erscheinen ihre einst heroischen Taten sinnlos, im Gefängnis überwiegt die Sehnsucht nach den Menschen draußen und nach einem Leben in Freiheit – aber wie kann das aussehen? Seit Jahren warten sie schon, jetzt drängt einer von ihnen zum Handeln…

»Und wenn ich hundert Jahre lang hier drin vergammeln müsste! Vor so ’nem Richter aufstehen? Nie! Besetzen unser Land und meinen auch noch, sie können über uns richten, oder wie? Wär ja noch schöner! Niemals würd’ ich vor so ’nem Richter aufstehen, so wahr ich Abu Namusa heiße! Abu Namusa… 2002… Abu Namusa…
(…)
Verflucht sei die Heimat, sie hat uns viel zu viel Blut gekostet… Ist es das wert? Wegen Staub, Felsen, Steinen und Bäumen… Verflucht seien die Felsen, die Steine und Bäume… Ich will leben… Ich will dem anderen zuhören… und er soll mir zuhören… Weder schlage ich ihn noch schlägt er mich… Ich vergebe ihm und er vergibt mir…«

 

Pressestimmen: 

»Im Studio des Heimathafens findet Lydia Ziemke zusammen mit den zu allem bereiten Spielern ein so intensives, lebendiges Zeichenspiel, dass einem plötzlich der ›Palästinakonflikt‹-vernagelte Kopf aufgeht. Ein kleiner Karton wird zum fantastischen Vehikel für die angeblich nahe Befreiung der angeblichen Gefangenen und fährt sie doch nur immer tiefer in ihre eingebildete Gefangenschaft und ihre Opfer-Mythen ein; und eine groß umsorgte Mücke wird zum schönsten Symbol für ihren Wahn von Blutsbrüderschaft, der tatsächlich nur ihre einfachen Lebenswünsche aussaugt. Auf die Fortsetzung im Frühjahr darf man gespannt sein.« (von Doris Meierhenrich, Berliner Zeitung, 11/2011)

»Vier Gefangene […] harren in einem israelischen Knast auf ihren Austausch gegen den Soldaten Gilad Schalit. Es ist ein beckettsches Warten auf den Bus, wiederum mit sparsamen Mitteln und konzentrierter Wortwucht von Lydia Ziemke inszeniert. […] Die Gefangenen stilisieren sich in der Enge ihrer Zelle zu Widerstandskämpfern, halten sich mit Sehnsuchtsbildern der Menschen daheim über Wasser und gehen sich bald gegenseitig an die Gurgel. Autor Imad Farajin, der auch Satiren für das palästinensische Fernsehen schreibt, lässt dabei durchaus seine Wut spüren. […] Aber der Dramatiker bekommt die Kurve hin zur Versöhnung, gegen den fatalen Blutdurst. […] Ein starker Abend.« (von Patrick Wildermann, Tagesspiegel, 11/2011)

»Zermürbt im Warten« (von Tom Mustroph, taz, 12/2011)

»Das hat Furor, das ist drastisch, atemberaubend, klaustrophob!« (Berliner Morgenpost)

Die Stücke von Mohammad Al Attar (Rückzug), Imad Farajeen (603) und Jaouad Essounani (Hassan Leklichée) sind während des »British Council/Royal Court Theatre Near East and North African New Writing Project« zwischen 2007 und 2010 entstanden, und wurden in Lesungen auf der Veranstaltung »I Come From There: New Plays from the Arab World Season« am Royal Court Theatre im November 2008 präsentiert. Im Rahmen von »Lila Risiko Schachmatt« werden sie erstmals ins Deutsche übersetzt und inszeniert.

Credits

Autoren: Mohammad al Attar, Imad Farajin / Übersetzung: Ebtihal Shedid, Andreas Bünger, Jaouad Oaussou / Regie: Lydia Ziemke / Produktionsleitung und Produktionsberatung: Aliki Schäfer / Künstlerische Mitarbeit: Wiebke Hagemeier / Regieassistenz: Marie Popall / Ausstattung: Martina von Holn, Tucké Royale / Ausstattungsassistenz: Hoda El-Sharkawy, Anna Gentilini / Darsteller: Jillian Anthony, Javeh Asefdjah, Nadim Jarrar, Patrick Khatami, Alois Reinhardt / Technische Unterstützung: Christian Gierden & Alexander Knobbe / Fotografie: Piero Chiussi (www.webchroma.de) / Grafik-Design: Tobias Kauer

Veranstaltungs- und Workshop-Reihe:
Konzept und Umsetzung: Nora Haakh, Laura Werres, Lydia Ziemke / Assistenz: Nora Haakh, Annegret Roelcke, Hedra Youkhana / Produktionsberatung: Aliki Schäfer

Termine

24.11.2011
Rückzug / 603
Rückzug / 603 Heimathafen Neukölln, Premiere
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